Mittwoch

Verwende deine Jugend!

Verwende deine Jugend!

Von Julia Montag

Draußen stehen die Praktikanten und kratzen an der Tür, drinnen lautet die triste Karrierewahrheit: Aus dem Traumjob wird bald eine Tretmühle mit Überstunden satt und dieser bleiernen Müdigkeit. Muss das so sein? Ein Plädoyer für ein bisschen Hedonismus im Berufsleben.

Ein abgeschlossenes Studium ist schon lange keine Garantie für einen guten Job mehr, die Karriereleiter vieler Uni-Absolventen endet mit dem Taxischein. Das wissen wir alle. Wenn wir dennoch einen guten Job an Land ziehen, stürzen wir uns deshalb mit allem, was wir haben, in die Arbeit. Wir schieben endlose Schichten, sammeln Erfahrung, Erfolg und Geld.

Der Durchschnittsdeutsche arbeitet laut Tarifvereinbarungen rund 37,5 Stunden pro Woche. Damit das auch so bleibt, scheuchen die Gewerkschaften ihre Mitglieder zu Demos auf die Straße, wenn Politiker die 40-Stunden-Woche fordern - und die gilt es zu vermeiden. Die Gewerkschaften haben ja Recht. 40 Stunden am Stahlofen oder Montageband sind viel. Wer sich wehren kann, der sollte das tun.

Aber: Es gibt eine andere Gruppe von Arbeitnehmern, die ebenfalls wegen der 40-Stunden-Woche auf die Straße gehen könnte - uns, die Berufseinsteiger! Nur müssten wir nicht dagegen demonstrieren, sondern dafür. Wir hätten sogar Verhandlungsspielraum. Selbst 45 oder gar 50 Stunden wären für uns in Ordnung. Denn Fakt ist: 60-Stunden-Wochen sind für viele Berufseinsteiger längst ein normales Pensum. Und jeder macht mit.

Kein Wunder, wird uns doch schon früh eingeimpft, dass unsere Chancen auf einen guten Job extrem übersichtlich sind. Es gibt über vier Millionen Arbeitslose in diesem Land, eine Magister- oder Diplomurkunde bedeutet nicht mehr viel. Und es kommt noch schlimmer, ein Blick in die Stellenanzeigen verrät: Die Unternehmen suchen nicht uns, sondern 20-jährige Superhirne, die nach einem Blitzabitur binnen zwei Jahren promoviert und nebenbei fünf Jahre Berufserfahrung in 20 Ländern gesammelt haben.

Also greifen wir nach jedem noch so dürren Strohhalm. Wir übernehmen unbezahlte Praktika, schieben Überstunden, wir kommen gern auch mal am Wochenende rein und akzeptieren mickrigste Gehälter. Kaum einer, der sich das nicht gefallen ließe. Denn da draußen warten Hunderte, die diesen Job genau so gut könnten wie wir. Jedes Jahr verabschieden die Unis Tausende von potentiellen Konkurrenten. Aber wir sind gekommen um zu bleiben. Also müssen wir Gründe dafür schaffen.

Und es ist ja nicht alles schlecht an der Karriere. Immerhin: Wir sind jetzt nicht mehr Teil jener amorphen Masse, die sich ins Audimax zwängt. Wir tragen schicke Klamotten, wir haben Namensschilder an den Bürotüren, und der Chef würde uns sicher nicht mit so vielen Projekten betrauen, wenn wir nicht unglaublich kompetent wären! Außerdem verdienen wir Geld, Mama ist stolz. Und darum tragen wir an den meisten Tagen nur eine kleine Träne im Knopfloch des neuen Business-Anzugs.

Doch dann kommt der Tag, an dem wir merken, dass das Leben vor den Scheiben unsere Büros vorbeizieht. Wollten wir nicht eigentlich nur arbeiten, um den nächsten Urlaub zu finanzieren? Wollten wir nicht jeden Club der Stadt von innen kennen? Hatten wir uns nicht auf das Gefühl gefreut, an einem einzigen Tag unfassbar viel Geld auszugeben für Dinge, die wir morgen schon nicht mehr brauchen?

Wir sind ziemlich porös

Selbst, wenn wir das Geld dazu jetzt haben, es fehlt uns an einer wichtigen Ressource, die im Studium nie versiegte: Zeit. Denn die handelsübliche Arbeitswoche hat fünf Tage, spärliche 120 Stunden. Die Hälfte davon geht für die Arbeit drauf, genug schlafen sollten wir auch.

Netto bleibt da nicht mehr viel Zeit, aus der wir echte Erlebnisse stricken könnten. Während wir also dachten, jetzt beginne die beste Zeit unseres Lebens, lautet die triste Wahrheit: Diese beste Zeit besteht vor allem aus Arbeit.

Wir sind übermüdet, haben Stress, kennen die meisten Freunde nur noch vom Telefon. Und die angesagtesten Clubs allenfalls vom Hörensagen, weil wir längst erschöpft im Bett liegen, wenn dort die Musik angeht. Unsere Berührungen mit Alkohol beschränken sich darauf, morgens Parfüm aufzusprühen.

Kein Wunder, dass wir alle ziemlich porös sind. "Burn out", das klang vor zehn Jahren noch exotisch. Nun ahnen die meisten von uns mindestens, wie sich das anfühlt. In Yoga-Kursen versammeln sich nicht mehr nur spinnerte Esoteriker, sondern vor allem gestresste, jüngere Arbeitnehmer.

Wägen wir also ab. Einerseits: Natürlich müssen wir uns um unsere Zukunft kümmern - bloß kein Jahr im Lebenslauf, in dem wir nicht an der Karriere geschraubt haben. Andererseits: Wir sind heute jünger als in zehn Jahren. Schon Sir Peter Ustinov wusste: "Heute sind die guten alte Zeiten, an die wir uns später wehmütig erinnern." Noch lassen uns die Türsteher in die Clubs, weil wir genau so jung sind wie die Gäste, die sie da drinnen haben wollen. Heute dauert der schlimmste Kater nur einen halben Tag - und sehen wir nicht richtig lecker aus in den neuesten Jeans?

Wieso geht nicht alles? Faire Arbeitszeiten. Anständige Entlohnung. Das sichere Gefühl, auch nächste Woche noch am selben Schreibtisch zu sitzen. Und abends das Leben feiern! Wir wollen ja gar keine Spaßgesellschaft. Aber ein bisschen Vergnügen haben wir uns verdient.

Das ist kein Aufruf zur Kündigung, es ist der Hinweis, die Zeit nicht einfach verstreichen zu lassen. Bleiben wir nicht mitunter nur deshalb länger, weil alle anderen das auch tun? Nehmen wir nicht viel zu viele Aufgaben an, weil wir so stolz über all die Verantwortung sind? Und, mal ehrlich, sagen wir nicht viele Verabredungen ab, weil der Stress eine so bequeme Ausrede geworden ist?

Klar ist: Der Job wird sich niemals für all die Aufmerksamkeit bei uns bedanken. Er wird uns nicht die andere Betthälfte wärmen und kaum die schönsten Erlebnisse unseres Lebens bescheren. Genau die haben wir aber verdient. Ein passendes Motto dazu gibt es, ganz profan von einem Autoaufkleber: Du bist nur einmal jung. Aber wenn du alles richtig machst, ist einmal genug.

(Article by manager-magazin.de 2007)

Erst in Rente, dann schnell weg

von Annette Berger (FTD)

Wer in 30 oder 40 Jahren in den Ruhestand geht, ahnt: Die Rente wird knapp. Junge Berufstätige trauen dem staatlichen Rentensystem immer weniger, zeigt eine neue Studie. Der Rentner von morgen hat aber bereits einen Plan in der Tasche, falls das Geld nicht reicht.

So spielen offenbar immer mehr Deutsche mit dem Gedanken, ihren Ruhestand außerhalb Deutschlands zu verbringen. Immerhin jeder sechste künftige Rentner (17 Prozent) erwägt, in ein Land mit niedrigeren Lebenshaltungskosten auszuwandern, zeigt die Postbank-Studie "Altersvorsorge in Deutschland 2007", die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. 2077 Personen ab 16 Jahren wurden in Zusammenarbeit mit dem Institut für Demoskopie in Allensbach in dieser repräsentativen Untersuchung zu ihrer Einstellung zu Rente und Vorsorge befragt.

Was derzeit Schüler und Studenten betrifft, könnte künftig ein Metier der Grauhaarigen werden: Gelegenheitsjobs. 68 Prozent der Befragten gaben an, einen Nebenjob ausüben zu wollen, falls die Rente später nicht reicht. Und 36 Prozent würden gern länger in ihrem Beruf arbeiten als es die gesetzliche Altersgrenze erlaubt.

Der Rentner von morgen könnte sich auch als Konsumfeind entpuppen. Sind Kleidung, schicke Restaurantbesuche oder teure Urlaube wirklich wichtig? Diese Frage scheinen sich viele der künftigen Alten zu stellen. Denn um ihre Altersvorsorge aufzustocken, würden viele Menschen – zumindest theoretisch – Konsumopfer bringen: 52 Prozent würden bei Restaurant-Besuchen sparen, 45 Prozent beim Autokauf.

Beim Urlaub würden sich 37 Prozent der künftigen Rentner einschränken, 33 Prozent gaben an, notfalls für Kleidung weniger Geld auszugeben. Der Nachwuchs der heute Mittelalten muss die elterliche Sparwut allerdings nicht fürchten: Nur vier Prozent der Befragen würden bei Ausgaben für ihre Kinder knausern, ergab die Studie.

Besser informiert, aber misstrauischer

Das Vertrauen in das staatliche Rentensystem ist an einem Tiefpunkt angelangt, konstatiert die Postbank-Studie. Jeder sechste künftige Rentner fürchte, seinen Lebensunterhalt im Alter nicht mehr selbst bestreiten zu können und zu verarmen. "Erstmals gestehen die Berufstätigen in Deutschland mehrheitlich ein, nicht ausreichend für das Alter vorgesorgt zu haben", sagte Postbank-Privatkundenvorstand Wolfgang Klein bei der Vorstellung der Studie. Nur noch 39 Prozent der Berufstätigen gaben an, ausreichend für ihr Alter gespart zu haben. In den vergangenen beiden Jahren lag dieser Wert stets bei mehr als 40 Prozent. Sollte deshalb der Gesetzesgeber die private Altersvorsorge zur Pflicht machen? Die Mehrheit der Deutschen sagt laut Studie "nein".

Inzwischen sind die Deutschen gut über private Vorsorgemodelle und steuerliche Förderungen informiert, ergab die Untersuchung weiter. Das war früher anders, wie ähnliche Befragungen seinerzeit ermittelt hatten. Noch im vergangenen Jahr seien die neuen steuerlichen Förderungen den meisten Deutschen nicht bekannt gewesen, sagte Postbank-Vorstand Klein.

Ein Drittel hat Vertrauen vollkommen verloren

Besser informiert, aber misstrauischer gegenüber dem heutigen staatlichen Rentensystem - auf diesen Nenner kann man die Einstellung vieler künftiger Ruheständler bringen. So gab niemand der Befragten an, "sehr großes Vertrauen" in die Stabilität der deutschen Rentenkasse zu haben. "Weniger Vertrauen" haben 56 Prozent der Deutschen und der Berufstätigen. Jeder dritte Deutsche (32 Prozent) hat dagegen "gar kein Vertrauen" in unser Rentensystem. Betrachtet man die Gruppe der Berufstätigen separat, liegt dieser Anteil noch höher - bei 34 Prozent.

Besonders misstrauisch sind Frauen: "Altersarmut befürchten berufstätige Frauen deutlich stärker als Männer", sagte Klein. 18 Prozent hätten Angst vor künftiger Armut. Bei allen Befragten - also Männern und Frauen - ergibt sich ein bundesweiter Durchschnittswert von 16 Prozent.

Samstag

Reform Impossible: 75 Gründe aus Deutschland auszuwandern

von Rüdiger Suchsland 09.11.2006

Reform Impossible: 75 Gründe aus Deutschland auszuwandern. Und zwar jetzt gleich.

Die Deutschen sterben aus? Keine Sorge. Das wird nie passieren. Denn vorher sind sie alle ausgewandert. 145 000 Menschen wanderten nach offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamts allein im Jahr 2005 aus Deutschland aus - so viele wie noch nie seit Beginn der Statistiken 1954. Noch Ende der 80er-Jahre waren es weniger als 100.000. Dazu kommen noch einmal über 100.000 Menschen, die sich nicht offiziell abmelden - und nur solche werden statistisch erfasst -, um ihre Sozialversicherungsansprüche nicht zu verlieren, und sich eine Rückkehrmöglichkeit offen zu halten. Deutschland ist bekanntlich Exportweltmeister. Nach den Produktionsstätten und den Jobs exportiert es jetzt auch seine Bürger.

Der Bevölkerungsschwund als solcher ist nicht das Problem; er ließe sich leicht durch bessere Einwanderungsgesetze in eine Zunahme umdrehen. Zum Problem wird, dass es die Jungen und Hochqualifizierten sind, die auswandern - an den Universitäten ist das Schlagwort vom "Brain drain", vom "Hirnabfluß" längst Allgemeingut. Man könnte es auch Volksverdummung nennen: Der Durchschnitts-IQ der Deutschen sinkt, denn trotz Abwanderung der Klugen und Qualifizierten tut die Bundesregierung nichts dafür, dass gut ausgebildete und einwanderungswillige Arbeitskräfte aus anderen Ländern nach Deutschland kommen können. Vielmehr werden sie durch unsinnige Hürden vergrault:

Die bereits verabredeten Erleichterungen für Akademiker und andere Spitzenkräfte wurden zurückgenommen: Erst ab einem Einkommen von 85 000 Euro im Jahr erhält man eine Erlaubnis, sich dauerhaft niederzulassen - eine zu hohe Hürde. Auch ausländischen Studenten macht man das Hiersein unnötig schwer. Deutschland verhindert den legalen Zuzug, anstatt ihn intelligent zu steuern.

Aus Sicht der Abwanderer sind das sowieso überflüssige Debatten. Sie haben sich entschieden. Und sie haben recht! Denn es gibt viele gute Gründe, mit denen man auf die Frage "Auswandern - warum?" antworten kann, und sich aus Deutschland zu verabschieden. Hier einmal die ersten 75 von ihnen:

Warum auswandern?

* weil Deutschland nicht nur unfähig ist, es ist unwillig, sich zu reformieren. Reform impossible!
* weil die große Koalition zwar institutionell alle Möglichkeiten hätte. Aber auch die kreist nur um sich selbst, und packt die Probleme aus Feigheit und aus parteitaktischem Kalkül nicht an.
* weil die Bevölkerung auch nicht besser ist, als ihre Regierung. Sie zwingt die Regierung nicht zum Handeln, leistet keinen Widerstand, wie die Franzosen, sondern macht wie immer schon wieder einfach mit.
* weil die Folge überall mit den Händen zu greifen ist: Ein Mehltau aus Blei hat sich über das Land gelegt. Es herrscht dumpfe Depression, die nur in kurzzeitigen hysterischen Ausbrüchen wie dem Fußball-Populismus des Frühsommers ekstatisch kompensiert wird.
* weil "Aber" das Lieblingswort der Deutschen ist.
* weil Angst das Lieblingsgefühl der Deutschen ist. Angst vor der Zukunft. Angst vor der Gegenwart. Angst vor den Fremden. Angst vor dem Eigenen. Angst vor allem.
* weil Möglichkeitssinn den Deutschen fremd ist.
* weil Phantasie und kreative Experimente in Deutschland systematisch verhindert werden.
* weil das Stahlkorsett des bundesdeutschen Rechts
* und Ordnungsrahmens, der keine Treppe ohne Geländer, keinen Papierblock ohne DIN-Norm, kein Angeln ohne Angelschein gestattet, Kreativität erstickt.
* weil alles, was doch vielleicht geht, nur im Schneckentempo geht, ohne "Drive".
* weil die Deutschen über eine schrumpfende Bevölkerung debattieren, anstatt sich klar zu machen, dass die durch Einbürgerung jederzeit auszugleichen ist. In Norwegen werden Sprachkurse für Einwanderer vom Staat bezahlt. Fehlende Fachkräfte könnte durch bessere Ausbildung kompensiert werden.
* weil man über den Spruch "Kinder statt Inder" hier ernsthaft diskutiert hat. Kinder und Inder müsste es, wenn schon, heißen. Stattdessen ist die Realität jetzt: Keine Kinder, keine Inder.
* weil die deutsche Linke die machtvergessenste Linke Europas ist.
* weil sich in Deutschland auch die Neoliberalsten nicht trauen, die Wahrheit einfach auszusprechen, und zu sagen: "Ein paar Prozent Arme und Arbeitslose nehmen wir hin, wir wollen solche Unterschiede."
* weil aber solche Ehrlichkeit die Voraussetzung funktionierender Gesellschaften ist.
* weil hier Leute wie Ulf Poschardt über "Deutschlands Hang zur Gleichmacherei" lästern, die angeblich "Zukunft vernichtet", und dabei verschweigen, dass zum Beispiel im Bildungsbereich Deutschland das ungleichste Industrieland der Welt ist, und dass gerade das unser Problem ist.
* weil es hier noch nicht einmal die Kinderbetreuungplätze gibt, die gesetzlich garantiert sind. Aber auch wenn es sie gäbe, wäre das im Vergleich zum europäischen Ausland viel zu wenig.
* weil Mütter in Deutschland auf die Frage, warum sie drei Monate nach der Geburt nicht wieder arbeiten, ernsthaft und ungestraft antworten: "Warum soll ich dann überhaupt Kinder kriegen?"
* weil es aber für die Mütter, die drei Monate nach der Geburt wieder arbeiten wollen, keine entsprechenden Kinderbetreuungseinrichtungen gibt.
* weil aber niemand dafür protestiert, dass sich das ändert vor allem nicht die jungen Frauen, die am stärksten von der Situation benachteiligt werden.
* weil in Deutschland überhaupt niemand wirklich und unter Risiko für seine Rechte und gegen Missstände protestiert, und weil die, die es doch tun, sich des Missfallens der schweigenden Mehrheit sicher sein dürfen.
* weil allerorten von jedermann Kreativität und Mobilität gefordert wird, aber in der Praxis an den Schulen stupides Auswendiglernen und neualte Disziplinierung dominieren, und an den Universitäten eine neue Verschulung. Dadurch wird das Gegenteil erreicht: Schüler werden unkreativer, Studenten immobiler, die Ausbildungen insgesamt verlieren weiter an Wert, deutschen Schüler und Studenten fallen im internationalen Vergleich weiter zurück.
* weil man an den Schulen die Schulzeit verkürzt, anstatt sie zu verlängern, was angesichts des wachsenden Wissens nötig wäre.
* weil Ausbildungszusagen der Industrie seit Jahren nicht eingehalten werden.
* weil man an den Gymnasien unter der Maske des "G 8" die Ganztagsschule einführt, die Hälfte der Kosten und des Unterrichts aber de facto auf die Eltern abwälzt.
* weil man an einer deutschen Uni nicht für Leistung und Schnelligkeit belohnt wird, sondern bestraft. Denn an der Universität treffen ein Prüfungsausschuss und Behörden, die aus Nichtakademikern bestehen, die Entscheidungen, nicht die Professoren.
* weil man mit dem BA ein Billig-Examen einführt, das auf nichts vorbereitet, und nichts bringt außer der Illusion, man habe einen Studienabschluß.
* weil "überqualifiziert" in Deutschland ein Argument ist, einen Job nicht zu bekommen.
* weil die bestausgebildete Akademikergeneration sich von Praktikum zu Praktikum und von befristeter Stelle zu Projektauftrag hangeln muss.
* weil der feste Job in jedem Fall schlechter bezahlt ist als eine Generation zuvor.
* weil man in Deutschland Gebühren für internetfähige Computer erhebt, anstatt Kabelanschluss und Internet frei Haus zu vergeben.
* weil die Automobilindustrie in Deutschland zur Heilige Kuh erhoben ist.
* weil noch niemand auf den Gedanken gekommen ist, bzw. es "nicht durchsetzungsfähig" ist, sprich von der Automobilindustrie verhindert wird, die Bahnpreise niedrig zu halten, und den öffentlichen Nahverkehr zum Nulltarif zur Verfügung zu stellen, um eine echte verkehrspolitische Wende zu bewirken
* weil die Föderalismusreform gescheitert ist.
* weil in Deutschland Kulturhoheit Ländersache ist.
* weil Deutschland ein erstickend bürokratisches Land ist.
* weil der Ladenschluss immer noch nicht abgeschafft wurde
* weil die Kirche in Deutschland soviel Macht und Sonderrechte hat, wie sonst nur in Polen.
* weil es hier außer in wenigen Orten keine Kneipen ohne Polizeistunde gibt.
* weil "Das Parfüm" über 4 Millionen Zuschauer hat.
* weil Bernd Eichinger der erfolgreichste Produzent ist.
* weil man hier Joachim Fest für einen Intellektuellen hält.
* weil sich in Deutschland das öffentliche Fernsehen mit einem Kulturauftrag schmückt, diesen aber nicht erfüllt.
* weil in vielen Ländern der Welt das Wetter besser ist.
* weil in vielen Ländern der Welt der Wein und das Essen besser sind.
* weil in Deutschland die Arbeitslosenversicherung nur ein Jahr gilt, gleich wie lange man eingezahlt hat. Und eine private Arbeitslosenversicherung, die wie eine Versicherung funktioniert, gibt es gar nicht.
* weil man in Deutschland verlangt, in eine Rentenversicherung einzuzahlen, obwohl jetzt schon klar ist, dass alle Einzahler später kaum noch Rente bekommen. Auch hier gibt es keine realistische private Alternative.
* weil der Staat immer mehr Leistung verlangt, aber selbst immer weniger leistet.
* weil Leistung sich hier keineswegs lohnt. Bildung und Ausbildung garantieren heute nichts mehr. Sie sichern keine Perspektive, sie sichern nicht die Existenz, sie schützen nicht vor Arbeitslosigkeit.
* weil sich Leistung woanders weitaus mehr lohnt. Dort sind Grund und Wohnungen billig, die Gesundheitsversorgung auch, manchmal sogar umsonst.
* weil jeder, der unter 50 ist, in den kommenden Jahrzehnten immer höhere Abgaben leisten muss, ohne darauf hoffen zu können, entsprechende Leistungen zurückzubekommen.
* weil es in Deutschland mehr Bankfilialen als Bäckereien gibt.
* weil Arbeitslose mit über 45 in Deutschland kaum noch eine Stelle finden.
* weil in Deutschland die soziale Kälte zunimmt.
* weil die FDP immer noch nicht "weggeharkt" (Helmut Schmidt, 1982) wurde.
* weil vom Parteispendenskandal der CDU keiner mehr redet, und die Beteiligten quasi ungestraft geblieben sind.
* weil Kurt Beck SPD-Vorsitzender geworden ist.
* weil die GRÜNEN keinen zweiten Joschka Fischer haben.
* weil Angela Merkel es tatsächlich zur Bundeskanzlerin geschafft hat.
* weil einer wie Edmund Stoiber es beinahe auch zum Bundeskanzler geschafft hätte.
* weil einer wie Guido Westerwelle sich über zehn Jahre in einem politischen Spitzenamt halten kann.
* weil die viel beschworene Flexibilisierung eben auch bedeutet, dass man in Länder auswandert, wo man bessere Bedingungen findet.
* weil Neonazismus und Rechtpopulismus in Deutschland wie in ganz Europa zunehmen, und nichts dafür spricht, dass sich diese Tendenz in Zukunft ändert,
* weil es hier keine Perspektive gibt.
* weil es den Kindern von heute morgen nicht besser gehen wird. Darum bekommen immer mehr Erwachsene auch erst gar keine.
* weil die Gesellschaft überaltert, und viele Alte auf ihrem sehr breiten Hinterteil solange sitzen bleiben, bis sie tot umfallen, aber nie Jüngeren von selbst Platz machen würden.
* weil die EU keine gemeinsame Außenpolitik entwickelt.
* weil die EU der ökonomischen keine politische und kulturelle Union folgen lässt.
* weil die EU keine handlungsfähigen Institutionen ausbildet.
* weil die EU keinen politischen Willen hat.
* weil es der EU wieder besseres Wissen nicht gelingen wird, die Türkei aufzunehmen, und weil dieses moderne Schisma verheerende Folgen für Europa und sein Verhältnis zur islamischen Welt haben wird.
* weil ganz Europa mittelfristig dem Untergang geweiht ist.
* weil das 21. Jahrhundert das asiatische Jahrhundert sein wird. In ein paar Jahrzehnten wird Europa nur noch als Freizeitpark und romantisches Urlaubsrefugium existieren.
* weil es woanders besser ist: In Kanada, Australien und Neuseeland, in Indien und China, in Argentinien und Brasilien zum Beispiel
* weil zu viele Deutsche auswandern.

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