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Verwende deine Jugend!

Verwende deine Jugend!

Von Julia Montag

Draußen stehen die Praktikanten und kratzen an der Tür, drinnen lautet die triste Karrierewahrheit: Aus dem Traumjob wird bald eine Tretmühle mit Überstunden satt und dieser bleiernen Müdigkeit. Muss das so sein? Ein Plädoyer für ein bisschen Hedonismus im Berufsleben.

Ein abgeschlossenes Studium ist schon lange keine Garantie für einen guten Job mehr, die Karriereleiter vieler Uni-Absolventen endet mit dem Taxischein. Das wissen wir alle. Wenn wir dennoch einen guten Job an Land ziehen, stürzen wir uns deshalb mit allem, was wir haben, in die Arbeit. Wir schieben endlose Schichten, sammeln Erfahrung, Erfolg und Geld.

Der Durchschnittsdeutsche arbeitet laut Tarifvereinbarungen rund 37,5 Stunden pro Woche. Damit das auch so bleibt, scheuchen die Gewerkschaften ihre Mitglieder zu Demos auf die Straße, wenn Politiker die 40-Stunden-Woche fordern - und die gilt es zu vermeiden. Die Gewerkschaften haben ja Recht. 40 Stunden am Stahlofen oder Montageband sind viel. Wer sich wehren kann, der sollte das tun.

Aber: Es gibt eine andere Gruppe von Arbeitnehmern, die ebenfalls wegen der 40-Stunden-Woche auf die Straße gehen könnte - uns, die Berufseinsteiger! Nur müssten wir nicht dagegen demonstrieren, sondern dafür. Wir hätten sogar Verhandlungsspielraum. Selbst 45 oder gar 50 Stunden wären für uns in Ordnung. Denn Fakt ist: 60-Stunden-Wochen sind für viele Berufseinsteiger längst ein normales Pensum. Und jeder macht mit.

Kein Wunder, wird uns doch schon früh eingeimpft, dass unsere Chancen auf einen guten Job extrem übersichtlich sind. Es gibt über vier Millionen Arbeitslose in diesem Land, eine Magister- oder Diplomurkunde bedeutet nicht mehr viel. Und es kommt noch schlimmer, ein Blick in die Stellenanzeigen verrät: Die Unternehmen suchen nicht uns, sondern 20-jährige Superhirne, die nach einem Blitzabitur binnen zwei Jahren promoviert und nebenbei fünf Jahre Berufserfahrung in 20 Ländern gesammelt haben.

Also greifen wir nach jedem noch so dürren Strohhalm. Wir übernehmen unbezahlte Praktika, schieben Überstunden, wir kommen gern auch mal am Wochenende rein und akzeptieren mickrigste Gehälter. Kaum einer, der sich das nicht gefallen ließe. Denn da draußen warten Hunderte, die diesen Job genau so gut könnten wie wir. Jedes Jahr verabschieden die Unis Tausende von potentiellen Konkurrenten. Aber wir sind gekommen um zu bleiben. Also müssen wir Gründe dafür schaffen.

Und es ist ja nicht alles schlecht an der Karriere. Immerhin: Wir sind jetzt nicht mehr Teil jener amorphen Masse, die sich ins Audimax zwängt. Wir tragen schicke Klamotten, wir haben Namensschilder an den Bürotüren, und der Chef würde uns sicher nicht mit so vielen Projekten betrauen, wenn wir nicht unglaublich kompetent wären! Außerdem verdienen wir Geld, Mama ist stolz. Und darum tragen wir an den meisten Tagen nur eine kleine Träne im Knopfloch des neuen Business-Anzugs.

Doch dann kommt der Tag, an dem wir merken, dass das Leben vor den Scheiben unsere Büros vorbeizieht. Wollten wir nicht eigentlich nur arbeiten, um den nächsten Urlaub zu finanzieren? Wollten wir nicht jeden Club der Stadt von innen kennen? Hatten wir uns nicht auf das Gefühl gefreut, an einem einzigen Tag unfassbar viel Geld auszugeben für Dinge, die wir morgen schon nicht mehr brauchen?

Wir sind ziemlich porös

Selbst, wenn wir das Geld dazu jetzt haben, es fehlt uns an einer wichtigen Ressource, die im Studium nie versiegte: Zeit. Denn die handelsübliche Arbeitswoche hat fünf Tage, spärliche 120 Stunden. Die Hälfte davon geht für die Arbeit drauf, genug schlafen sollten wir auch.

Netto bleibt da nicht mehr viel Zeit, aus der wir echte Erlebnisse stricken könnten. Während wir also dachten, jetzt beginne die beste Zeit unseres Lebens, lautet die triste Wahrheit: Diese beste Zeit besteht vor allem aus Arbeit.

Wir sind übermüdet, haben Stress, kennen die meisten Freunde nur noch vom Telefon. Und die angesagtesten Clubs allenfalls vom Hörensagen, weil wir längst erschöpft im Bett liegen, wenn dort die Musik angeht. Unsere Berührungen mit Alkohol beschränken sich darauf, morgens Parfüm aufzusprühen.

Kein Wunder, dass wir alle ziemlich porös sind. "Burn out", das klang vor zehn Jahren noch exotisch. Nun ahnen die meisten von uns mindestens, wie sich das anfühlt. In Yoga-Kursen versammeln sich nicht mehr nur spinnerte Esoteriker, sondern vor allem gestresste, jüngere Arbeitnehmer.

Wägen wir also ab. Einerseits: Natürlich müssen wir uns um unsere Zukunft kümmern - bloß kein Jahr im Lebenslauf, in dem wir nicht an der Karriere geschraubt haben. Andererseits: Wir sind heute jünger als in zehn Jahren. Schon Sir Peter Ustinov wusste: "Heute sind die guten alte Zeiten, an die wir uns später wehmütig erinnern." Noch lassen uns die Türsteher in die Clubs, weil wir genau so jung sind wie die Gäste, die sie da drinnen haben wollen. Heute dauert der schlimmste Kater nur einen halben Tag - und sehen wir nicht richtig lecker aus in den neuesten Jeans?

Wieso geht nicht alles? Faire Arbeitszeiten. Anständige Entlohnung. Das sichere Gefühl, auch nächste Woche noch am selben Schreibtisch zu sitzen. Und abends das Leben feiern! Wir wollen ja gar keine Spaßgesellschaft. Aber ein bisschen Vergnügen haben wir uns verdient.

Das ist kein Aufruf zur Kündigung, es ist der Hinweis, die Zeit nicht einfach verstreichen zu lassen. Bleiben wir nicht mitunter nur deshalb länger, weil alle anderen das auch tun? Nehmen wir nicht viel zu viele Aufgaben an, weil wir so stolz über all die Verantwortung sind? Und, mal ehrlich, sagen wir nicht viele Verabredungen ab, weil der Stress eine so bequeme Ausrede geworden ist?

Klar ist: Der Job wird sich niemals für all die Aufmerksamkeit bei uns bedanken. Er wird uns nicht die andere Betthälfte wärmen und kaum die schönsten Erlebnisse unseres Lebens bescheren. Genau die haben wir aber verdient. Ein passendes Motto dazu gibt es, ganz profan von einem Autoaufkleber: Du bist nur einmal jung. Aber wenn du alles richtig machst, ist einmal genug.

(Article by manager-magazin.de 2007)

Erst in Rente, dann schnell weg

von Annette Berger (FTD)

Wer in 30 oder 40 Jahren in den Ruhestand geht, ahnt: Die Rente wird knapp. Junge Berufstätige trauen dem staatlichen Rentensystem immer weniger, zeigt eine neue Studie. Der Rentner von morgen hat aber bereits einen Plan in der Tasche, falls das Geld nicht reicht.

So spielen offenbar immer mehr Deutsche mit dem Gedanken, ihren Ruhestand außerhalb Deutschlands zu verbringen. Immerhin jeder sechste künftige Rentner (17 Prozent) erwägt, in ein Land mit niedrigeren Lebenshaltungskosten auszuwandern, zeigt die Postbank-Studie "Altersvorsorge in Deutschland 2007", die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. 2077 Personen ab 16 Jahren wurden in Zusammenarbeit mit dem Institut für Demoskopie in Allensbach in dieser repräsentativen Untersuchung zu ihrer Einstellung zu Rente und Vorsorge befragt.

Was derzeit Schüler und Studenten betrifft, könnte künftig ein Metier der Grauhaarigen werden: Gelegenheitsjobs. 68 Prozent der Befragten gaben an, einen Nebenjob ausüben zu wollen, falls die Rente später nicht reicht. Und 36 Prozent würden gern länger in ihrem Beruf arbeiten als es die gesetzliche Altersgrenze erlaubt.

Der Rentner von morgen könnte sich auch als Konsumfeind entpuppen. Sind Kleidung, schicke Restaurantbesuche oder teure Urlaube wirklich wichtig? Diese Frage scheinen sich viele der künftigen Alten zu stellen. Denn um ihre Altersvorsorge aufzustocken, würden viele Menschen – zumindest theoretisch – Konsumopfer bringen: 52 Prozent würden bei Restaurant-Besuchen sparen, 45 Prozent beim Autokauf.

Beim Urlaub würden sich 37 Prozent der künftigen Rentner einschränken, 33 Prozent gaben an, notfalls für Kleidung weniger Geld auszugeben. Der Nachwuchs der heute Mittelalten muss die elterliche Sparwut allerdings nicht fürchten: Nur vier Prozent der Befragen würden bei Ausgaben für ihre Kinder knausern, ergab die Studie.

Besser informiert, aber misstrauischer

Das Vertrauen in das staatliche Rentensystem ist an einem Tiefpunkt angelangt, konstatiert die Postbank-Studie. Jeder sechste künftige Rentner fürchte, seinen Lebensunterhalt im Alter nicht mehr selbst bestreiten zu können und zu verarmen. "Erstmals gestehen die Berufstätigen in Deutschland mehrheitlich ein, nicht ausreichend für das Alter vorgesorgt zu haben", sagte Postbank-Privatkundenvorstand Wolfgang Klein bei der Vorstellung der Studie. Nur noch 39 Prozent der Berufstätigen gaben an, ausreichend für ihr Alter gespart zu haben. In den vergangenen beiden Jahren lag dieser Wert stets bei mehr als 40 Prozent. Sollte deshalb der Gesetzesgeber die private Altersvorsorge zur Pflicht machen? Die Mehrheit der Deutschen sagt laut Studie "nein".

Inzwischen sind die Deutschen gut über private Vorsorgemodelle und steuerliche Förderungen informiert, ergab die Untersuchung weiter. Das war früher anders, wie ähnliche Befragungen seinerzeit ermittelt hatten. Noch im vergangenen Jahr seien die neuen steuerlichen Förderungen den meisten Deutschen nicht bekannt gewesen, sagte Postbank-Vorstand Klein.

Ein Drittel hat Vertrauen vollkommen verloren

Besser informiert, aber misstrauischer gegenüber dem heutigen staatlichen Rentensystem - auf diesen Nenner kann man die Einstellung vieler künftiger Ruheständler bringen. So gab niemand der Befragten an, "sehr großes Vertrauen" in die Stabilität der deutschen Rentenkasse zu haben. "Weniger Vertrauen" haben 56 Prozent der Deutschen und der Berufstätigen. Jeder dritte Deutsche (32 Prozent) hat dagegen "gar kein Vertrauen" in unser Rentensystem. Betrachtet man die Gruppe der Berufstätigen separat, liegt dieser Anteil noch höher - bei 34 Prozent.

Besonders misstrauisch sind Frauen: "Altersarmut befürchten berufstätige Frauen deutlich stärker als Männer", sagte Klein. 18 Prozent hätten Angst vor künftiger Armut. Bei allen Befragten - also Männern und Frauen - ergibt sich ein bundesweiter Durchschnittswert von 16 Prozent.